6. Dezember 2023

Transformation der Industrie trotz des BVerfG-Urteils unterstützen // Geplante Maßnahmen des Strompreispakets dringend umsetzen // Investitionssicherheit über mehrere Jahre herstellen

Positionspapier Bündnis Faire Energiewende (Dezember 2023)

Die Regierungskoalition hat den Handlungsbedarf bei den Energiekosten erkannt – vor allem die Strompreise in Deutschland sind im internationalen Vergleich viel zu hoch, Investitionen fließen vermehrt in ausländische Standorte. Im Inland werden Betriebe aufgegeben, die Deindustrialisierung schreitet auf allen Ebenen voran, vom Großkonzern bis zum kleinen Mittelständler.

Mit dem Strompreispaket der Bundesregierung sollte diese beschäftigungs- und wohlstandszerstörende Entwicklung aufgehalten werden. Das Urteil des Bundesverfassungs­gerichtes vom 15. November 2023 hat diesem Vorhaben zunächst in Teilen die finanzielle Grundlage entzogen. Gleichwohl darf diese höchstrichterliche Klarstellung keinesfalls zu Attentismus führen, sondern muss im Gegenteil zum Anlass genommen werden, die Prioritäten zu überdenken und die Effizienz des Einsatzes der begrenzten finanziellen Ressourcen zu optimieren.

Um die Transformation hin zur Klimaneutralität zu schaffen, benötigen die Unternehmen wettbewerbsfähige Rahmenbedingen und Investitionssicherheit über mehrere Jahre.

Aus unserer Sicht muss daher folgendes dringend passieren:

  • Stromsteuer absenken – Spitzenausgleich für Erdgas fortführen

An der geplanten Absenkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe muss unbedingt festgehalten werden. Diese Maßnahme ist auch nicht unmittelbar vom BVerfG-Urteil betroffen. Allerdings könnte eine Absenkung auf das Niveau, das durch den Spitzenausgleich erreichbar ist, ausreichen (0,15 Cent/KWh statt 0,05 Cent/KWh). Die dadurch erzielte Einsparung muss für die ebenso wichtige Fortführung des Spitzenausgleichs im Energiesteuergesetz (insbesondere Erdgas) verwendet werden.

Zudem ist wichtig, den Haushaltsvorbehalt ab 2026 sowie die zeitliche Befristung der Stromsteuersenkung aufzuheben, denn Investitionsentscheidungen haben regelmäßig einen deutlich längeren zeitlichen Horizont.

  • Stromnetzentgelte stabilisieren – statt jährlich ungewisser Zuschüsse, dauerhafte Absenkung realisieren

Die Stromnetzentgelte sind die zweithöchste Komponente der Stromrechnung. Eine Begrenzung zumindest des Anstiegs ist daher sehr wichtig. Noch besser wäre eine deutliche Senkung der Netzentgelte, bei denen es sich um Infrastrukturkosten handelt, die aus ordnungspolitischer Sicht auch gänzlich aus Steuermitteln finanziert werden könnten.

Wichtig sind zudem finanzielle Mittel zur Ertüchtigung der Stromnetze zur Aufnahme der Offshore-Stromeinspeisung sowie zu ihrer Digitalisierung. Dadurch würden die Redispatch-Kosten sinken und das Ziel der Netzentgeltentlastung würde dauerhaft erreicht. Darüber hinaus würde die Offshore-Umlage entfallen.

Es muss dringend geprüft werden, zumindest die energiewendebedingten Netzkosten grundsätzlich aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren.

  • Die rein nationale CO2-Bepreisung aussetzen, bis der EU-Emissionshandel (ETS 2) auch für kleinere Betriebe eingeführt ist

Angesichts der seit Beginn des Ukraine-Krieges enorm angestiegenen Marktpreise insbesondere für Erdgas bedarf es keines weiteren Anreizes zur Einsparung fossiler Energien durch den nationalen Emissionshandel mehr. Da der Druck zur Einsparung bereits durch den hohen Marktpreis erreicht ist und dieser deutlich über dem Niveau liegt, das ursprünglich mit dem nationalen Emissionshandel erreicht werden sollte, ist dessen Zweck erfüllt. Somit kann die nationale CO2-Bepreisung ausgesetzt werden, bis der europäische Emissionshandel für alle Kleinemittenten eingeführt ist. Dies soll im Jahr 2027 der Fall sein.

Mit dem Aussetzen der nationalen CO2-Bepreisung würde ein erheblicher Wettbewerbsnachteil der deutschen Unternehmen im europäischen und internationalen Wettbewerb beseitigt.

Die genannten Maßnahmen sind aber noch in keiner Weise ausreichend, um die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie zu sichern.

Die Energie- und Industriepolitik muss vielmehr insgesamt auf langfristige Investitionssicherheit ausgerichtet werden, Planungssicherheit nur für kurze Zeiträume reicht nicht aus. Verlässliche langfristige Rahmenbedingungen für produzierende Unternehmen sind die unverzichtbare Basis für die Entwicklung und Umsetzung innovativer Geschäftsmodelle, den Erhalt und die Transformation der bestehenden Wertschöpfungsstrukturen und für den Umbau zu einer international vorbildlichen emissionsfreien Volkswirtschaft mit attraktiven Arbeitsmodellen und hohem Wohlstandsniveau. Gelingt dies nicht, sind unser Wohlstand, der soziale Zusammenhalt und die Demokratie existenziell gefährdet.

2023-12-06_BfE-Forderungspapier_Energie